

Geschichten aus 50 Jahren
Hier teilen Menschen ihre Erinnerungen mit Ihnen.
Tauchen Sie ein in Geschichten von langjährigen WegbegleiterInnen von Assista.

01
David Schwödiauer
(Bewohner der ersten Stunde)
David erinnert sich gerne an die Anfangszeit im Dorf.
Besonders berührend fand er zum einen die Eröffnung des Dorfes, als alle BewohnerInnen – und das waren damals schon knapp 100 Menschen mit Behinderung – gemeinsam mit der Musikkapelle auf der Bühne standen. So hervorgehoben und gefeiert sind Menschen mit Behinderung bis dahin eher nicht geworden.
„Anfangs war die Situation für mich befremdlich, so präsent auf der Bühne zu stehen, aber es war schon ein erhebender Moment“.
Und ganz besonders toll hat David die erste Kulturveranstaltung im damaligen Raiffeisensaal in Erinnerung.
„Ich war damals gerade erst aus der Schule und hatte mit meinen 16 Jahren so etwas noch nie live erlebt. Eine Aufführung der Wiener Volksoper bei uns im Dorf mit Dagmar Koller und Peter Minich! Das war schon etwas ganz Besonderes, an das sich nicht mehr viele erinnern werden. Für mich war es so schön, weil ich ein Liebhaber klassischer Musik bin und so etwas hier in Altenhof zum ersten Mal erleben durfte.“
02
Thomas Kroupa
(langjähriger Assista-Mitarbeiter)

Thomas kennt Assista bereits seit den 80er Jahren. Er hat damals in der Cafeteria gearbeitet, als sie noch nicht als Teil von Assista, sondern extern durch Pächter betrieben wurde.
„Es gab das „Kulturzentrum Hausruckwald“, wo jede Menge Veranstaltungen wie zum Beispiel Filmvorführungen, Konzerte und Vernissagen stattfanden. Einige große Namen der österreichischen Kulturszene waren hier in Altenhof vertreten, wie zum Beispiel Lukas Resetarits.
Legendär war natürlich auch der „Rosenball“ in der Faschingszeit. Gefeiert wurde wirklich intensiv.
Damals wohnten viele recht junge Leute im Dorf. Dementsprechend bunt und laut wurde gefeiert.
Auch der Andrang in der Cafeteria selbst war groß. Es gab einen Billardtisch und einen Darts-Automaten im Café, wo auch Turniere ausgetragen wurden.
Sperrstunde war damals nicht vor 1:00-2:00 in der Früh."

03
Helmut Bruckmüller
(langjähriger Assista-Mitarbeiter)
Erinnerungen an meine Zivildienstzeit
Ich begann meinen Zivildienst im Oktober 1982.
Die ersten zwei Tage mussten alle Zivildiener auf den neu angelegten Grünflächen um die Wohnhäuser Steine sammeln. „Auftraggeber“ war der Chef des Wirtschaftsbereiches. Ich war „überrascht“, denn ich hatte mir den Zivildienst etwas anders vorgestellt.
Es blieb aber bei den zwei Tagen in gebückter Arbeitshaltung.
Die Einschulung dauerte ganze zwei Wochen, mit Erste-Hilfe-Kurs, Pathologie-Einschulung mit einem
der damaligen Hausärzte und einem Praktikumstag in einem Wohnhaus.
Wir hatten Führungen zu allen „Stabstellen“ und bekamen so manchen Begrüßungsschnaps (!).
Letztendlich wurde ich in die Haustechnik eingeteilt, diese bestand aus der heutigen Objektverwaltung, der Haustechnik und aus der Rollstuhlwerkstatt. Letztere befand sich im Haupthaus, es gab noch kein Reha-Service.
Das Haus 16 war noch nicht ganz fertig und wurde gerade bezogen. Unter anderem montierten wir die noch fehlenden Handläufe und Lampenschirme.
Jeden dritten Samstag waren wir Zivis von der Haustechnik zu einem zusätzlichen Dienst eingeteilt.
Am Vormittag kamen RollstuhlfahrerInnen zum Luft-Auffüllen und Batteriesäure-Prüfen (Bleiakkus!).
Dabei gab es so manches Trinkgeld!
Am Nachmittag holten wir die Schmutzwäsche von den Häusern mit der Elektrolok und brachten diese in die Wäscherei. Einmal verlor ich dabei einige gewickelte Wäschesäcke. Die Wäsche lag vom Haus 12 bis zur Wäscherei verstreut.
Laufend gab es Zivildiener-Besprechungen. Mein damaliger Chef hatte keine Freude, wenn wir wieder von der Arbeit weg waren….
Bei uns Zivis aus der Haustechnik hatte sich eingebürgert, dass wir jeden Tag in die Küche gingen, um bei „Berta“ um ein Wurstbrot zu betteln und eine „geheime Jause“ zu machen. Darauf freute ich mich jeden Morgen!
Interessant war, bei diversen Veranstaltungen zu helfen. Da war der Besuch einer Tanzgruppe aus Taiwan, der damals sehr bekannte „Rosenball“ oder die offizielle Eröffnung des „Behindertendorfes Altenhof“ durch Bundespräsident Josef Kirchschläger.
Das „Behindertendorf Altenhof“ war schon damals ein sehr beliebter Zivildienst-Einsatzort.
Sehr gerne erinnere ich mich an diese Zeit.
04
Hermine Aicher
(Assista-Bewohnerin und Mesnerin)
Hermi ist eine der ersten Assista-Bewohnerinnen und ist seit über 50 Jahren als Mesnerin tätig. Sie erzählt in zwei Geschichten von ihrer Verbindung zu Gründervater Pater Dr. Anton Gots und aus der Zeit im Kamillianerkloster Pfaffing und dem Umzug nach Altenhof.
Hermi
Hermi


Hermi Aichner - "Pater Gots und die Mesnerin"

Hermi Aichner "Vom Kloster Pfaffing nach Altenhof"
05
Margaretha
Kirchberger
(Bewohnerin von Assista seit den 80er Jahren)
Frau Kirchberger feierte 2024 ihren 90. Geburtstag.
In zwei Filmsequenzen erzählt sie einmal von einem Besuch einer Veranstaltung bei den Bad Ischler Festspielen 2024 und in der zweiten Geschichte erinnert sie sich an eine Faschingsfeier in den 80er Jahren.
Margaretha
Margaretha


Margaretha Kirchberger "Ausflug ins Theater nach Bad Ischl 2024"

Margaretha Kirchberger - "Eine Pippi 1984"


06
Harald Pöllhuber
(seit vielen Jahren in unterschiedlichen
Funktionen bei Assista tätig)
Besucherführungen als Tor zur Inklusion
Seit meinem Beginn bei Assista im Juni 1991 als Zivildiener (mit abgeschlossenem Krankenpflegediplom) bin ich Teil des Besucherführungsteams, das aus MitarbeiterInnen und BewohnerInnen besteht. Bei diesen Führungen für externe Besuchergruppen versuchen wir einen möglichst authentischen Einblick in das Leben und Arbeiten bei Assista zu zeigen.
Die Gratwanderung zwischen der Wahrung der Intimsphäre und Vermeidung der Bloßstellung (Zitat einer Bewohnerin: „Wie Tiere im Zoo“) zu einem möglichst persönlichen Kontakt ist uns dabei sehr bewusst.
So werden die KlientInnen in den Werkstätten vorher informiert, bevor eine Besuchergruppe durch die Werkstätten geführt wird. Die KlientInnen können eine Pause machen und inzwischen die Werkstätte verlassen, wenn sie nicht bei der Arbeit beobachtet werden wollen.
Im Wohnbereich gilt dies ebenso, und ich zeige nur die Zimmer von BewohnerInnen her, die das auch gerne möchten. Gerne präsentiere ich dabei verschiedene Zimmer und das möglichst im Beisein der BewohnerInnen, um die Vielfalt und Individualität aufzeigen zu können wie zum Beispiel:
- Die Bewohnerin mit der Karibiktapete im Zimmer und der üppigen Balkonblumenpracht
- Den Bewohner mit dem durchgestylten Zimmer mit selbst gemalten Bildern und dem edlen Laminatboden
- Die belesene Bewohnerin mit der Bücherwand und der Schildkröten-Souvenirsammlung im Zimmer.
Fasziniert bin ich jedes Mal, wenn sich die BesucherInnen am Ende der Führung überrascht und beeindruckt über ihre unterschiedlichen Beobachtungen und Erfahrungen austauschen. Eine langjährig bekannte Lehrerin einer Krankenpflegeschule sagte einmal zu mir: „Beim Betreten der Wohngruppe spüre ich immer wieder diese besondere Aura und verstehe, warum du hier arbeitest.“



07
Brigitte Moosbrugger
(Bewohnerin der ersten Stunde)
Der Tag meiner Übersiedlung von Vorarlberg ins „Behindertendorf“
Sehnsüchtig, aber doch auch voller Spannung und offener Fragen, hatte ich auf diesen 03.Oktober 1978 gewartet. Meine Schwester und mein Schwager brachten mich mit dem Auto nach Altenhof, und alle meine Habseligkeiten hatten in einem einzigen Koffer Platz gefunden. Während der langen Fahrt hing ich meinen Gedanken nach. Sie wanderten zurück zu meiner Entscheidung ins Behindertendorf Altenhof zu ziehen.
Nach dem frühen Tod meiner Mutter wuchs ich beim Vater und meinen neun älteren Geschwistern im kleinen Heimatort auf. Bis zum Ende meiner 8-jährigen Volksschulzeit verlief mein Leben sehr unspektakulär. Dann brachte eine Kopfoperation nicht den erhofften Erfolg, den Wunsch nach einem Beruf musste ich also ad acta legen und langsam heirateten alle meine Geschwister. Damit wurde die Frage ‚Was wird aus mir?‘ immer dringlicher.
Von meinen Brieffreundschaften hörte ich immer wieder, dass in Oberösterreich ein Dorf für Körperbehinderte gebaut wird und als mir Pater Gots bei seinem Besuch in Vorarlberg sagte:‚Brigitte, das Dorf ist genau das Richtige für dich‘, stand mein Entschluss fest. Denn eine Unterbringung in einem Altersheim kam für meine Geschwister nicht in Frage, zur Lebenshilfe wollte ich nicht. Die Alternative wäre gewesen, jeweils ein paar Monate reihum bei den Geschwistern zu wohnen, doch das wollte ich auch nicht.
Ich wollte einen Platz, wo ich weiß, da gehöre ich hin.
„Ein Platz, wo ich hingehöre“
In Altenhof angekommen, musste ich mich im Hauptgebäude in der Halle registrieren und bei dieser Gelegenheit meldeten wir gleich meinen Hauptwohnsitz um, denn in Zukunft würde ich ja hier wohnen. Ich wusste zwar nicht, was auf mich zukommen würde, aber dass es zuhause einfach nicht mehr ging, war mir trotz meiner jungen Jahre völlig klar.
Ein Zimmer mit Standardeinrichtung wurde mir zugewiesen und meine Schwester versuchte noch, es ein bisschen wohnlich und persönlich einzurichten. Bald kam jedoch der Abschied, denn mein Schwager und sie hatten ja noch eine lange Heimreise vor sich.
Im Wohnhaus in der Halle versammelten sich immer mehr künftige Bewohner und es gab die erste Gelegenheit, sich kennenzulernen. Ich stellte fest, dass ich einige Bewohner und auch eine Mitarbeiterin von früheren Veranstaltungen bereits kannte und das half mir sehr beim innerlichen Ankommen.
Das Meiste war provisorisch und vieles noch nicht fertig, aber bei allen - sowohl Bewohnern als auch Mitarbeitern - spürte ich eine große Aufbruchstimmung und den starken Willen, gemeinsam an der Zukunft zu arbeiten und Probleme anzupacken. An viele Details dieses Tages kann ich mich heute, nach fast 50 Jahren, nicht mehr erinnern. Den ersten Abend werde ich aber wohl nie vergessen, denn die Mitarbeiterin, die mich ins Bett brachte, redete die ganze Zeit kein Wort mit mir und mir blieb nur, mich in den Schlaf zu weinen…
Es kam dann jedoch Gott sei Dank alles ganz anders…